Arbeitstagebuch von Susanne Stiegeler

02.06.2010

Susanne mit Helfern Seit dem 31.5.2010 bin ich nun hier in Oranki. Es begrüßten mich sogleich 600 Pilze, die noch eingepackt in Pekkas Schuppen lagerten. Das Wetter war herrlich, die Sonne schien, ganz im Gegensatz zu Deutschland. Ideal um sich sogleich an die Arbeit zu machen: zunächst mussten alle 600 Pilze einzeln ausgepackt werden. Als nächstes ging es darum eine ideale Stelle entlang des Ausstellungswegs zu finden: die Pilze sollten gut sichtbar sein und sich zugleich organisch in die Natur einfügen. Mit den Oranki-Organisatoren wurden verschiedene Stellen diskutiert, bis man sich schließlich für einen leicht abfallenden, aber gut sichtbaren Hang entschied. Danach ging es darum, die Pilze an den Bestimmungsort zu verfrachten. Dafür standen zwei Männer und ihre Autos zur Verfügung. Nach etlichen Fahrten (die Pilze mussten sorgsam transportiert werden) mussten sie erst mal am Wegrand zwischengelagert werden. Plötzlich eintretende Wettereinbrüche (Regen, Hagel, Wind und eisige Temperaturen) behinderten die Arbeiten für den Rest des Tages, den ich damit verbrachte, die Installation der Pilze genau zu durchdenken.

05.06.2010

Susanne bei der Arbeit Als das Wetter sich wieder besserte, pflanzte ich den ersten Testpilz in die Erde, da mir einige Zweifel kamen, ob diese das extreme Wetter in dieser Region tatsächlich überstehen würden. Nach den nächsten Regenschauern (die nicht lange auf sich warten ließen) konnte ich mich von der Stabilität der Pilze überzeugen. Sicherheitshalber allerdings besorgte ich mir im nächstgelegenen Ort (Pello) finnischen Sprühlack, der vermutlich auch an hiesige Verhältnisse angepasst ist. Ich überzog die mir nicht ganz so haltbar erscheinenden Pilze mit einer weiteren Schicht Lack. Sodann begann ich mit der Installation des Kunstwerks: dabei achtete ich darauf, dass die Pilze in kleineren Gruppen zusammen stehen, um den Eindruck zu erwecken, sie seien gleichsam natürlich dort gewachsen. Während der Arbeit überprüfte ich die Installation von verschiedenen Standpunkten entlang des Weges, um sicherzustellen, dass jeder einzelne Pilz sichtbar und der Gesamteindruck gleichzeitig überzeugend ist. Dabei wurde ich stets von einer treuen Schar Mücken begleitet, die scheinbar nicht müde wurde nach meinem Blut zu lechzen (Trotz der finnischen Mückenabwehr "Off").

07.06.2010

Pilze in Oranki Gleich nach dem Aufstehen (Kaffee, Brot, Butter) zog ich meine Arbeitskleidung, bestehend aus: Gummistiefeln, Regenmantel. Als erstes begegnete mir dort der Stepan Novotny, der Fotograf, welcher das Pilz- sowie das gesamte Oranki Projekt fotografisch verfolgt. Wir diskutierten die Art und Weise der Dokumentation. So einigten wir uns darauf neben den Fotos über den Prozess der Arbeit, auch einige Großaufnahmen sowie Details der Installation zu machen, um ein möglichst umfassendes Bild des Gesamtwerks wiederzugeben. Sodann fuhr ich mit meiner Arbeit fort, solange bis der Lack aufgebraucht war und ich erneut nach Pello (24Km) fahren musste, um einen Besuch im dortigen Farbladen abzustatten. Der Verkäufer, welcher mit Pekka in die Schule gegangen war, grüßt mich bereits mit Vornamen und stellte mir ungefragt sämtliche im Laden befindliche Lackdosen zur Verfügung. Ich kaufte alles! Ohne Verzögerung ging es sofort an die Arbeit weiter, bis leider ein unerwarteter Regenschauer (wie immer) meine Arbeit unterbrach. So nutze ich die Zeit, um anderen Künstlern bei der Arbeit zu helfen. Rechtschaffen müde genoss ich die Vorzüge der finnischen Sauna und legte mich anschließend sofort in das Bett (bei vollem Tageslicht).

08.06.2010

Pilze in Oranki Als ich aufwachte, war es immer noch hell, die Sonne schien unverzagt am Himmel zu stehen, und kündigte mir einen guten Arbeitstag an. Also lief ich nach dem Frühstueck los, um die frischlackierten Pilze in die Erde zu pflanzen, und 250 weitere mit Lack zu überziehen. Meine Hände wurden klebrig und schwarz, Mücken umschwirrten mich voll Vergnügen und erfrischten sich an meinem Blut - solange bis Pekka mit einer grossen Flasche"OFF-Insektenabwehr" vorbeikam, und mir ausserdem noch seine Arbeitshandschuhe überliess. Und so arbeitete ich, und arbeitete ich, vergass die Zeit, und nahm auch die schwarzen Wolken, die am Himmel dräuten, nicht wahr... Umso überraschender trafen mich dann die ersten Tropfen - und da der Lack noch nicht trocken war, errichtete ich aus einigen Baumstämmen, Steinen und Planen eine Art kleines Schutzzelt, unter dessen Dach die Pilze in Ruhe trocknen sollten. Der Regen dauerte dann einige Stunden an, aber da die Sonne hier nie untergeht, konnte ich noch bis 1h Morgens arbeiten.

09.06.2010

Pilze in Oranki Für den heutigen Tag war eine Gruppe Schüler aus Rovaniemi angekündigt, und man bat mich, diese durch die Ausstellung zu führen und ihnen die Arbeiten zu erläutern. Es handelte sich um ca 15 Schüler, überwiegend Flüchtlinge aus Afrika sowie dem Kosovo, aber auch finnische Kinder um die 15 Jahre alt, die zusammen mit ihrer Kunstlehrerin Hanna einen Unterrichtsgang nach Oranki machten. Alle sprachen aussergewöhnlich gut finnisch und zeigten grosses Interesse an den ausgestellten Werken. Als ich ihnen das Pilzprojekt erläuterte, waren sie begeistert, schauten sich diese genau an, fragten nach meinen Selber Schülern sowie dannach, wie bei uns "der Schulalltag so abliefe" und schossen unzählige Photos. Für mich war es ausserdem sehr interessant, die hiesige Kunstlehrerin kennenzulernen: Hanna und ich begannen über einen Kontakt zwischen Selb und der Schule in Rovaniemi nachzudenken - entweder in Form eines Ausstausches oder eines weiteren Kunstprojekts - wir tauschten unsere Adressen aus, und werden weiterhin in Kontakt bleiben. Um 15h verliess die Schülergruppe Oranki - nicht ohne allen meinen Schülern und "Pilzebauern" viele Grüsse auszurichten: Was hiermit getan sei! Den weiteren Nachmittag nutzte ich dann natürlich, um weitere Pilze zu insatllieren, solange, bis ich müde und hungrig wurde, und mich dem Feierabend hingab.

10.06.2010

Pilze in Oranki Heute war mein letzter voller Tag hier in Oranki. Es herrscht eine arbeitsame Atmosphäre: Die Vernissage rückt näher, und die Kunstwerke müssen fertiggestellt werden. Und so sägt und werkelt und baut alles ringsumher: Ein indischer Künstler baut eine riesenhafte Trommel aus Holz, eine finnische Künstlerin baut aus Metallstreifen zwei lebensgrosse Figuren und so weiter... mir blieben noch ca. 90 Pilze, die in den Erdboden gesteckt werden mussten. Also machte ich mich auf den Weg, und installierte nach einer Weile nicht ohne Stolz den allerletzten Pilz. Abschliessend machte ich mit Stepan noch einige Dokumentationsaufnahmen - die sobald wie möglich auf unsere Homepage gestellt werden.